Sonntag, 24. Mai 2020

Kulturmanagement während der COVID-19-Krise: Planen für die nächste Krise

Ich weiß, keiner mag jetzt schon über die nächste Krise sprechen, aber wir sollten es tun. In unserer globalisierten Welt scheint es nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass eine weitere Krise über unsere Kulturinstitutionen hereinbrechen wird. Ob als Finanz- oder Klimakrise oder aber noch einmal als Virus, vielleicht als zweite Welle des Corona-Virus, das lässt sich nicht vorhersagen. Es könnte wieder etwas sein, das wir uns nur schwer vorstellen können und deshalb ist es so wenig planbar.

Aufgrund vieler Naturkatastrophen und einem hohen Gewaltpotential, gehört das sog. „disaster planning“ in den USA zu den klassischen Kulturmanagement Aufgaben. Dabei geht es nicht nur um Planung von Evakuierungen und den Schutz an Ort und Stelle oder die Sicherung von Sammlungsbeständen, sondern auch um elektronische Ressourcen, die Kontinuität der Betriebsplanung und die Rolle von Organisationen des kulturellen Erbes als Gemeinschaftsressourcen für die Wiederherstellung. Die Initiativen sowie die Quellen- und Berichtslage sind beachtenswert. Im Jahr 2015 zum Beispiel erarbeiteten Expert*innen aus der Kultur und von Kulturerbestätten auf Initiative der Andrew W. Mellon Foundation eine ‟Vision für Notfallbereitschaft, Reaktion und Wiederherstellung im Kultursektor”. Bis Ende 2019 sind in einer Praxisphase Kommunikation, Training, Informationen, Modelle, Vorlagen und Best Practices erprobt und zusammengestellt worden. 

Das geplante Krisenmanagement bietet natürlich nur Hilfestellungen für bekannte Katastrophen. Ich schlage nicht vor, dass wir uns von Weltuntergangsstimmung oder Verschwörungstheorien beeindruckt auf alle Eventualitäten vorbereiten. Aber wir können uns mit strategischer Planung vorbereiten und so die Auswirkungen zukünftigen Notfalls verringern. Ich rege an, dass wir alle Maßnahmen, die wir in der aktuellen Krise mühsam ins Leben gerufen haben, prüfen und perfektionieren um in Zukunft kurzfristig darauf zurückgreifen können. Als Kulturmanager*innen sollten wir uns dabei auch von betriebswirtschaftlichen Betrachtungen leiten lassen: Wie sichern wir die nahtlose Kontinuität des Betriebs auch außerhalb des Standortes? Wie geht der Betrieb dann ins Home office oder wie macht man an alternativen Spielstätten (evtl. digital) weiter? Wie sieht es mit Rücklagen und der Bereitstellung von Ressourcen für Bereitschaft, Reaktion und Wiederherstellung aus? Und welche organisatorischen und inhaltlichen Prioritäten setzen wir in so einem Fall?

Wie auch die aktuelle Krise gezeigt hat, ist die Kultur eine der ersten Dinge, an die sich Menschen in Zeiten der Not wenden. Stellen Sie sicher, dass Ihr Betrieb gut aufgestellt ist und somit mehr Zeit bleibt, um Ihre Kund*innen und Ihr kulturelles Umfeld in schwierigen Zeiten unterstützen zu können.

Sonntag, 10. Mai 2020

Kulturmanagement während der COVID-19-Krise: Welche Zukunft erträumen wir uns jetzt?

Ich finde die Wiedereinstiegsszenarien der Kulturmanagement-Kolleg*innen beeindruckend: Da wird über Bestuhlungspläne gefachsimpelt, darüber dass Blasmusiker*innen eine Schutzmembran über die Schalltrichter ihrer Instrumente stülpen sollten und wie Besucher*innen und Theatersaal gleichermaßen desinfiziert werden. Wenn ich all das lese, macht es mir persönlich keine Lust auf Kultur. Vielleicht, weil ich mir den Kulturalltag zurückwünsche und dass alles so wird wie früher? Auf jeden Fall das, was uns allen gut gefallen und gutgetan hat. Das wird auf absehbare Zeit allerdings nicht passieren: Die Kulturstätten waren die ersten Institutionen, die schließen mussten, vermutlich werden sie die letzten sein, die wieder öffnen dürfen. Darüber hinaus ist nicht abzuschätzen, wann sich das überwiegend betagte Stammpublikum wieder in die Häuser wagt. In der Zwischenzeit bleibt uns in dieser Zeit der Verunsicherung und Schadensbegrenzung hoffentlich auch Zeit zum Träumen: den Traum von einer besseren kulturellen Zukunft.

Ich lese davon, dass viele darauf hoffen, dass Kultur vielfältiger, gerechter, zugänglicher und inklusiver wird. Andere träumen davon, dass Kultur zu einem Bestandteil der Grundversorgung der Bevölkerung gehören wird. Einige amerikanische Kulturmanager*innen (immer sofort Chancen zu sehen, liegt im amerikanischen Selbstverständnis) ergreifen schon jetzt die Initiative: Sie verwenden Kredite und Zuschüsse als Risikokapital, um ihrem Team die Freiheit zu geben, ALLES von Grund auf radikal zu überdenken. Dabei gehört zu den Leitgedanken, alle jene Maßnahmen zu verstärken, die eine Kulturinstitution zum wirkungsvollsten Gemeingut machen. Oder aber ein Design rund um die Schwächsten der Gesellschaft zu gestalten, weil das am schwierigsten ist und vielleicht genau deshalb echte Kunst bedeutet. Wir Deutschen warten da eher ab und starten erst, wenn alle Risiken durchdekliniert sind. Ich persönlich bin aber nicht daran interessiert, Dinge wiederaufzubauen, die bereits vorher nicht funktioniert haben oder gerade eben so praktikabel waren. Auch kommt für mich nicht infrage, eine scheinbar neue Normalität aufzubauen, in der dann doch wieder auf Hierarchien gesetzt wird, die insbesondere der Selbstzufriedenheit der Etablierten dienlich ist. Klar ist, dass die nächste Entwicklungsstufe des Kulturbetriebs Zeit brauchen wird zum Experimentieren, Scheitern und für das Feintuning.

Wieso sollten wir das nicht nutzen und auch in der Kultur in neuen Dimensionen denken, inspiriert von dem, was jetzt durch das Mitwirken aller auf einmal möglich ist? Da gibt es jenseits von Orchester-Tarifverträgen auf einmal Balkonkonzerte, das Homeoffice wird zur Normalität und selbst im digitalen Miteinander entdecken wir Nähe zueinander. Wenn jede*r Kulturmanager*in nach der Krise mit Blick auf eine bessere kulturelle Zukunft ein bisschen von diesen Erfahrungen mitnimmt und die ein oder andere Innovation in den Betrieben realisiert werden, dann sind wir ein großes Stück weiter.