Samstag, 27. November 2021

NFTs als Diversifikationsinstrument

© Photo by Noam Galai 

Technologieprojekte hatten bei Museen in der Vergangenheit aufgrund ihres traditionell risikoaversen, wissenschaftlichen und objektorientierten Ansatzes bei der Verwaltung ihrer Sammlungen eine geringe Priorität. Non-Fungible Tokens (NFT) und digitale Kunstformen im weiteren Sinne bieten Museen aber eine bedeutende Gelegenheit, den Zugang zu ihren Sammlungen zu verbessern, sich mit einer breiteren und jüngeren Gemeinschaft weltweit zu verbinden und in einer digital geprägten Welt Einnahmen zu diversifizieren.

NFT Kunst Merchandise, Limitierte Editionen und Souvenirs, die auf dem beliebten Sammeltrend der Generation Z und Gamer basieren, bieten innovative Möglichkeiten, Kund:innen in diesen Zielgruppen anzusprechen. Und durch ihren einmaligen Code-String auf der Blockchain der NFTs, lassen sich diese Angebote einfach personalisieren. Im Vergleich zu anderen Kunstobjekten ist die Einstiegshürde auch preislich gesehen oftmals noch gering, was zu einer weiteren Demokratisierung des Kunstmarktes führen kann.

Mit einem Blick auf die Zielgruppen überrascht es nicht, dass sich NFT Kunst oftmals deutlich von traditioneller Kunst unterscheidet. Ein Fehler wäre es, den Vorgang und die Kunst wieder verwissenschaftlichen zu wollen. Ein spielerischer Umgang mit Kunst, bestimmt bei den Zielgruppen die Rezeption der Werke. Wenn dies für den gesamten Aneignungsprozess gewährleistet werden kann, haben Museen eine neue Fanbase gewonnen.

Freitag, 26. November 2021

Kulturmanagement Trend: Das Potential von NFTs für Museen

 „Ein Non-Fungible Token (NFT) ist ein nicht ersetzbares, digital geschütztes Objekt. Es beruht auf einer hinterlegten Zeichenkette (Blockchain), die im Gegensatz zu einem Fungible Token nicht austauschbar oder kopierbar ist.“ (Wikipedia) „Diese „nicht ersetzbare Wertmarke“ ist ein digitales Gut, das reale Objekte wie Kunst, Musik und Gegenstände (…) repräsentiert. Die Token (Werteinheiten) werden online gekauft und verkauft, häufig mit Kryptowährung, und sie sind in der Regel mit der gleichen zugrunde liegenden Software wie viele Kryptos kodiert. (…) Im Wesentlichen sind NFTs wie physische Sammlerstücke, nur digital. Anstatt also ein echtes Ölgemälde an die Wand zu hängen, bekommt der Käufer stattdessen eine digitale Datei.“ (Forbes)

In New York City soll demnächst in der Nachbarschaft des MoMA ein NFT Museum entstehen. Warum es ein physisches Museum für digitale Vermögenswerte geben soll, beantwortet der Investor folgendermaßen: Das Guggenheim Museum hat phänomenalen Erfolg damit, ein Immobilienentwicklungsinstrument zu sein, das Kultur nutzt, um Vermögenswerte zu entwickeln und Menschen zusammenzubringen. Wir interessieren uns auch für eine globale Infrastruktur, eine Technologie getriebene Infrastruktur aus digitalem Handel, digitalem Krypto-Handel und digitaler Kommunikation. Dieses Projekt bietet die Möglichkeit, nicht nur Investitionen in diese Bereiche zu ermöglichen, sondern in dem geplanten NFT Museum auch die Kultur dieser Bereiche einzufangen.

NFTs sind ein Trend an der Schnittstelle von Technologie, Finanzen und Kultur mit Potenzial für Innovation und soziale Auswirkungen, die über reine Marktspekulationen hinausgehen. In unserem digital getriebenen Leben sind NFTs eine Entwicklung am Kunstmarkt, deren Entstehung durch die Pandemie katalysiert wurde. NFTs als kommerzielle Modeerscheinung abzutun, offenbart auch Mängel im Umgang mit der Digitalisierung im Museumsbetrieb, die sich bisher oftmals auf die Digitalisierung der Sammlung und Engagement in den Sozialen Medien beschränkte. Eine Auseinandersetzung mit NFTs zielt ins Zentrum des Selbstverständnisses von Museen, auf eine Organisationskultur, die bisher durch Kurator:innen vor allem akademisch und durch die physische Erfahrung von Kunst geprägt ist. Die Chance für Museen liegt in einem möglichen Perspektivenwechsel hin zu einem demokratischeren Verständnis von Kunst.

Kulturmanager:innen müssen sich daher viele übergeordnete Fragen stellen: Wie setzen wir uns mit digitaler und digitalisierter Kunst auseinander? Ist die Neigung zum Erwerb und Besitz von Objekten antiquiert? Was bedeutet „Eigentum“ bei einem unendlich duplizierbaren digitalen Medium? Welche Bedeutung hat Originalität? Folgt als Konsequenz die Konzentration auf das, was Museen wirklich gesellschaftlich relevant macht nämlich das Ausstellen? Was braucht es, um NFTs für Museen wirksam zu machen? Dazu müssen die richtigen Infrastruktur- und Technologiepartner gefunden werden. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit Künstlern, die digitale Kunst schaffen, Kuratoren und Sammlern, die ein fundierteres Verständnis dieses jungen Ökosystems haben.

Letztendlich ist es wichtig, dass Museen kreativ an NFTs herangehen und über die bloße Tokenisierung digitaler Wiedergaben ihrer populären Kunstwerke hinausdenken, um kurzfristige Einnahmen zu erzielen. Und schon jetzt ist die Krypto-Kunst Ausstellungsgegenstand für Rapid Change Collections.

Mittwoch, 8. September 2021

Auf dem Weg zum Stakeholder Vorstand

Stakeholder sind Interessensgruppen oder Personen, die Ihre Organisation beeinflussen und/oder von ihr beeinflusst werden. Stakeholder (wie Freiwillige, Spender und Lieferanten) beeinflussen Ihre Fähigkeit, Ihre Mission zu erfüllen; sie sind auch die Menschen (wie Begünstigte, Partnerorganisationen und die Gemeinschaft), die die Konsequenzen Ihrer Entscheidungen und Handlungen erfahren.

Die Betrachtung von Stakeholdern ist für eine Organisation unerlässlich, um effektiv, rechenschaftspflichtig und ethisch zu sein (z. B. bei der Aufrechterhaltung einer gerechten Macht-Dynamik).

Stakeholder können als intern (z.B. Mitarbeiter und Ehrenamtliche) oder externe (wie Besucher, Förderer, Medien) kategorisiert werden. Im Projektmanagement werden Stakeholder manchmal als primär oder sekundär kategorisiert, also Personen, die direkt oder indirekt betroffen sind.

In den letzten Jahrzehnten konzentrierten sich gemeinnützige Organisationen im Allgemeinen auf den Aufbau von Beziehungen zu denen, mit denen sie direkt in Kontakt standen, wie beispielsweise den Menschen, die sie versorgten, und den Geldgebern. Heute wird zunehmend erkannt, dass die Erfüllung der Mission einen ganzheitlicheren Ansatz erfordert, da die komplexen Probleme, mit denen gemeinnützige Organisationen konfrontiert sind, weit über das eigene Publikum hinaus gehen.

Komplexe Probleme erfordern den Input und die Zusammenarbeit zahlreicher Stakeholder mit unterschiedlichen Sichtweisen, um Lösungen zu schaffen.

Eine Möglichkeit Stakeholder zu identifizieren und zu evaluieren ist, diese in primäre und sekundäre Interessengruppen zu teilen und nach verschiedenen Kriterien zu bewerten. Dazu kann z.B. gehören, warum man sich für diese Gruppe engagiert, wie man sich engagiert, welchen Wert die Organisation für die Stakeholder schafft und welchen Wert die Stakeholder für Organisation schaffen. Zu verstehen, mit wem, warum und wie sehr die Organisation mit den Stakeholdern im Austausch steht, ermöglicht, eine missionsorientierte Strategie zu entwickeln und zu kommunizieren. Dieses ganzheitliche Denken beeinflusst dann sowohl organisationsbezogene Ziele (z. B. Reichweitensteigerung) als auch Grenzen übergreifende Ziele wie Interessenvertretung und Diversifikation.

Sobald eine Organisation ihre Stakeholder identifiziert hat, besteht der nächste Schritt darin, zu überlegen, wie sie mit ihnen interagieren möchte. Inwieweit binden wir Stakeholder in unsere Entscheidungsfindung ein? Berücksichtigen wir sowohl die kurz- als auch die langfristigen Auswirkungen unseres Handelns auf verschiedene Anspruchsgruppen? Welche Kennzahlen verwenden wir, um das Wohlbefinden unserer Stakeholder zu verfolgen? Auf welcher Ebene in unserer Organisation werden diese Kennzahlen überwacht und diskutiert? Welche Kanäle haben wir, um Stakeholdern eine Stimme bei der Gestaltung unserer Strategie und unserer Ziele zu geben? Wie bereit sind wir, unsere Ansätze und Verhaltensweisen basierend auf diesen Perspektiven anzupassen?[1]

Aufgrund dieser Analysen und Abwägungen kann dann strategisch entschieden werden, welche Stakeholder im Vorstand vertreten sein sollen. Idealerweise sind das alle, auch wenn es auf dem ersten Blick ungewohnt erscheinen mag. Die Vielfalt der Repräsentation auf Führungsebene einer Organisation demonstriert größere Inklusion, bietet mehr Anknüpfung zur Identifikation und führt zu größerer Relevanz.

Es ist ein weiter Weg von der üblichen Frage: „Hast Du nicht Lust, mit in meinem Vorstand zu arbeiten?“, die unausweichlich zur Perpetuierung von Seilschaften und etabliertem Machtgefüge führt. Die Stakeholder-Analyse ist ein strategischer Ansatz, über den eigenen Tellerrand zu blicken und Neues in die Organisation zu holen.

Die Stakeholder-Analyse ist nützlich, um ein Bewusstsein dafür zu gewinnen, auf wen Ihre Organisation Einfluss hat und auf wen Sie zur Erfüllung Ihrer Mission angewiesen sind. Die explizite Betrachtung von Stakeholdern erhöht den strategischen Fokus, erweitert die Optionen und richtet den organisatorischen Fortschritt aus. Die Systemzuordnung macht die Verbindungen zwischen Stakeholdern und Ihrem Kontext sichtbar. Denken Sie bei der Identifizierung Ihrer Stakeholder und der Förderung von Gegenseitigkeit und relationaler Rechenschaftspflicht daran, dass Inklusion der Schlüssel zu Gerechtigkeit ist.



[1] Raj Sisodia, Timothy Henry, and Thomas Eckschmidt, Conscious Capitalism Field Guide: Tools for Transforming Your Organization (Boston: Harvard Business Review Press, 2018).

 

Vom Shareholder zum Stakeholder Vorstand

In den letzten Jahren ließ sich ein deutlicher Wandel im Selbstverständnis von Vorständen in gemeinnützigen Kulturorganisationen in den USA beobachten, weg vom Shareholder Mindset hin zu einem Stakeholder Vorstand. Während der Shareholder Vorstand sich vor allem den klassischen Vorstandsaufgaben, rechtliche und finanzielle Absicherung kümmert, finden sich im Stakeholder Vorstand Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft, die die Institutionen nach innen und außen führen und repräsentieren. Die Entwicklung fing mit der Großen Rezession 2008 an, als viele Kulturorganisationen nicht nur um schwindende finanzielle Unterstützung konkurrierten, sondern auch in einer gesellschaftlichen Debatte ihren Steuerstatus rechtfertigen mussten. Etliche Stiftungen machten es damals verpflichtend, dass Kulturorganisationen ihre Relevanz in ihrem Umfeld beweisen mussten, wollten sie sich um Förderung bewerben. Viel hat sich nicht nur wissenschaftlich getan, um diesen Einfluss messbar zu machen. Vor allem lokale Kooperationen und die Diversität von Personal und Programmen der Kulturorganisationen spielen eine große Rolle.

Die American Museum Association z.B. hat in den letzten Jahren geholfen, 100 BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) Menschen für Vorstandspositionen in Museen zu vermitteln und für 1000 Vorstandsmitglieder in 50 Museen Diversity Trainings durchgeführt. Für die großen Kulturorganisationen in den USA ist es inzwischen unerlässlich, einen sog. Diversity Officer einzustellen und über die Fortschritte offiziell zu berichten.

So sehr die allermeisten Entscheidungsträger verstanden haben, dass es Menschen aus allen Lebensbereichen braucht, um eine Kulturorganisation zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu führen, hält sich die Sorge, ob die Stakeholder Vorstände weiterhin die in den USA so überlebenswichtige Aufgabe der Mittelbeschaffung sichern können. Und diese Sorge scheint zunächst berechtigt. Während der Pandemie waren vor allem jene Fundraising Projekte erfolgreich, in denen reiche und einflussreiche Fürsprecher mit entsprechenden Netzwerken als Multiplikatoren für Kampagnen wirkten. In der Praxis haben einige Kulturorganisationen ja bereits den Schritt zum Stakeholder Vorstand vollzogen und festgestellt, dass sich tatsächlich viele neue Menschen von der Arbeit angesprochen fühlen und auch fördernd tätig werden. Das geschieht dann oftmals in geringerem Umfang und führt wiederum dazu, Ehrenamt und Fundraising-Kampagnen auf ganz neue Zielgruppen auszurichten. Aber nicht nur das, auch sog. onboarding-Maßnahmen für neue Vorstandsmitglieder werden detaillierter ausfallen und das Berichtswesen, vor allem der Annual Report, müssen ebenfalls auf andere Zielgruppen ausgerichtet werden.

In Deutschland, wo die Rolle des Vorstands auch, aber weniger stark mit persönlichen Spenden, in der finanziellen Sicherung von Kulturorganisationen liegt, steht vermeintlich einer Diversifizierung von Vorstandsmitgliedern hin zu einem Stakeholder Vorstand weniger im Wege. Trotzdem vollzieht sich die Entwicklung hier deutlich langsamer. Der Druck zum Wandel, der auf amerikanische Kulturorganisationen durch die Große Rezession und die Rassenproteste der letzten Jahre entstanden ist, ist hierzulande noch weniger groß.

Sonntag, 27. Juni 2021

Resilient Together

 „The ability to recover from difficulties, to learn from mistakes and in doing so find enrichment.” So interpretiert Laura Lott (President & CEO AAM), den Begriff Resilienz als Leitgedanken für das Jahrestreffen 2021 der American Museum Alliance.

Im letzten Jahr wurde das virtuelle Treffen von dem Tode George Floyds überschattet und in diesem Jahr fiel die Konferenz mit dem 1. Todestag zusammen. Die Rassenproteste, die dem durch Polizeigewalt zu Tode gekommenen Afroamerikaner folgten, dominierten trotz Pandemie das gesamte Jahr die Diskussionen in amerikanischen Kulturforen. Nach meinem Eindruck erschütterte dieses Thema die Museumsbranche dort tiefer in ihren Grundfesten, als die Auswirkungen der Pandemie auf den Betrieb und das Überleben der Museen.

Immerhin, zu Beginn der Pandemie waren 33% aller US-amerikanischen Museen von der dauerhaften Schießung bedroht. Und da es für Museen in den USA vergleichsweise sehr geringe staatliche Unterstützung gibt, kam es zu einer nie da gewesenen Einflussnahme auf die Politikgestaltung stellvertretend für das kollektive Interesse von allen Engagierten in der Museumsbranche. Dies geschah mit großem Erfolg: Die Museen erhielten Bundesfinanzhilfe z.B. durch das Paycheck Protection Program und die Shuttered Venues Operating Grants. Zum Ende der Pandemie in den USA sind "nur" noch 15% der Museen von akuten Schließungen bedroht. Damit dieser Überzeugungsakt auf Bundesebene gelang, mussten Museumsmanager trotz ihrer eigenen Schwierigkeiten die neuen und dringenden Bedürfnisse ihrer communities erkennen und bedienen: Die Bereitstellung von Räumen und Ressourcen für Fernunterricht, Spenden von Kreativmaterial, Versorgung von Hungernden und Impfzentrum werden. So wurden Museen als wesentliches Element der kommunalen Infrastruktur anerkannt und bekamen Staatshilfen.

Als Kulturmanager:innen sehen wir die Kulturarbeit selbstverständlich als Teil dieser Infrastruktur. Aber nicht bevor die amerikanischen Museen grundlegende Fragen beantworten konnten, wurden sie auch von außen so wahrgenommen. Einige dieser Fragen formulierte Priya Parka (Beraterin und Autorin) unter dem Eindruck der Pandemie und Rassenproteste des letzten Jahres in ihrer Einführung zur AAM Konferenz folgendermaßen:

Was sind Museen? Was machen wir eigentlich? Wer sind wir? Für wen sind wir? Wofür ist ein Museum? Für wen ist das Museum zuerst? Was ist die Aufgabe von Kunst? Warum kreieren wir die Museumserfahrung so? Welche Art von Erfahrung versuchen wir den Menschen, die durch unsere Tür kommen, zu vermitteln? Warum machen wir das?

Was haben wir in den letzten 15 Monaten gelernt? Was schafft sinnvolle Verbindungen? Was schafft Inklusion? Was schafft Transformation? Wen haben wir unbewusst ausgelassen?

Haben Sie eine dieser Fragen in den letzten 15 Monaten neu beantwortet? Wenn wir uns diesen Fragen kollektiv widmen, haben wir die Chance, das Implizite explizit zu machen und der Relevanz von Kulturinstitutionen neue Bedeutung und neue Richtung zu geben.

Um mit den Worten von Laura Lott zu schließen: „Museen (Kulturinstitutionen und Künstler gleichermaßen) haben die Chance, führend beim Wiederaufbau (nach der Pandemie) zu sein, ein Versprechen für (gemeinschaftlichen) Aufschwung und Katalysatoren für die Neugestaltung unserer communities zu werden, um diese stärker als je zuvor zu machen.“

Literatur-Tipp: Priya Parker: The Art of Gathering: How We Meet And Why It Matters, Riverhead, 2018

Donnerstag, 22. April 2021

Schneller aus der Krise: Größere wirtschaftliche Freiheit für deutsche Kulturbetriebe

Im letzten Artikel habe ich eine Idee vorgestellt, wie Künstler:innen durch mögliche Staatsaufträge durch die Krise geholfen werden kann. Welche Rahmenbedingungen könnten in der Kulturpolitik für Kulturinstitutionen verbessert werden, um auch dort weiter zu helfen? Hier soll nicht um weitere direkte Subventionen gebeten werden, sondern es sollen vorteilhafte Rahmenbedingungen erörtert werden:

Einnahmen aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sind z.Zt. für deutsche Kulturbetriebe gedeckelt. Der Steuerfreibetrag von €40.000, der seit dem 01.01.2021 für Einnahmen (Umsatz, nicht Gewinn) aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gilt, ist bei nicht wenigen Betrieben z.B. nach einem Sommerfest schnell erreicht. Dann wird die Körperschaftssteuer fällig (auch hier gibt es einen Freibetrag von €5.000), womit ein entsprechender Verwaltungsaufwand entsteht. Also werden die Flächen für Café und Shop lieber an Gewerbetreibende vermietet oder verpachtet. Diese Einnahmen sind besser zu kalkulieren und darüber hinaus, da sie zu den Einnahmen aus der Vermögensverwaltung zählen, auch steuerfrei.

Aber könnten wir in Deutschland jenen gemeinnützigen Institutionen, die die Einbußen während und nach der Corona-Pandemie auch selbständig ausgleichen möchten und eine Geschäftschance sehen, mehr finanziellen Spielraum in Bezug auf Einnahmen einrichten?

In den USA können bis zu 50% aller Einnahmen einer gemeinnützig anerkannten Organisation aus dem Bereich unrelated business income stammen, ohne dass der Status der Gemeinnützigkeit (Steuerbefreiung) gefährdet wird. Unrelated business income entspricht ziemlich genau dem, was wir hier in Deutschland als Einnahmen aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb verstehen. Und das macht es für amerikanische Kulturbetriebe möglich, Shops und Cafés selber zu betreiben und darüber noch eine ganze Menge anderer Aktivitäten nachzugehen, die mit dem Satzungszweck (Mission) nichts zu tun haben: Gebrauchtwagen verkaufen, Tankstellen betreiben, Second-Hand Kleidung verkaufen u.v.m. Mit den Einnahmen aus diesen Nebengeschäften wird dann wieder der gemeinnützige Zweck gefördert.

Kein Kulturbetrieb würde sich freiwillig das Management eines ganzjährig betriebenen Geschäftes für Second-Hand-Kleidung aufbürden. Solche Aktivitäten sind auch in den USA im Einzelfall eher aus Zufall und Pragmatismus entstanden. Aber was ist mit der Theaterbar, dem Museumsshop und der Café-Ecke? In den USA werden diese von den Kulturbetrieben selbst und oftmals sehr professionell von Ehrenamtlichen betrieben. Wäre das ein mögliches Geschäftsmodell für deutsche Kulturbetriebe? Die Einnahmen aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dürften die steuerbefreiten Einnahmen aus ideellem Bereich, Zweckbetrieb und Vermögensverwaltung nicht übersteigen, sodass gemeinnützige Einrichtungen nicht in Konkurrenz zu Unternehmen treten. Denn weiterhin gilt, wer wie ein Unternehmen am Markt agiert, soll auch Steuern zahlen. Aber trotz möglichem Mehraufwand im Management der Nebengeschäfte, wäre es ein Schritt zu mehr finanzieller Selbständigkeit.

Dienstag, 23. Februar 2021

Amerikanische Kulturpolitik: Ein New Deal für die Kultur?

Dorothea Lange: Migrant Mother, 1936

Zu den Ikonen der amerikanischen Moderne gehören sicherlich die Fotografien der Wanderarbeiter, die Dorothea Lange 1936 anfertigte. Entstanden waren diese Werke im Auftrag der Resettlement Administration, einer Regierungsbehörde des New Deal in der amerikanischen Depressions-Ära, die Künstler direkt beschäftigte.

Die Weltwirtschaftskrise forderte die Amerikaner nicht nur mit einer nie dagewesenen Arbeitslosigkeit heraus, sondern auch mit ideologischen Spaltungen, die jenen, mit denen wir heute konfrontiert sind, nicht ganz unähnlich sind. Rassismus, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus nehmen zu. Politisch ist Amerika so gespalten wie nie zuvor. Damals blühte die Arbeiterbewegung auf, genauso Mitgliedschaften im Ku Klux Klan.

Zu einer Zeit, in der viele Amerikaner das Gefühl hatten, wenig gemeinsam zu haben, versicherte die WPA (Works Progress Administration, New Deal Behörde) den Menschen eine wichtige, gemeinsame kulturelle Identität durch Theater, Kunst und Musik. Die Idee hinter dem föderalen Kunstprojekt war es, Kunst zu den Massen zu bringen. Lauren Sklaroff, Professorin für Geschichte an der University of South Carolina, beschreibt dies als ein gemeinsames, amerikanisches Lexikon, aus dem sich die Bedeutung der Kultur ableiten lässt.

Eine Wiederauflage des Programms wird in den USA gerade von Theateraktivisten gefordert: ein neues Federal Theatre Project (FTP), wie das der Regierungsbehörde aus der Zeit der Depression, welches Künstler direkt für die Produktion neuer Werke beschäftigt. Zwar wurden im November 2020 mit dem Save Our Stages Act 15 Milliarden USD an Corona-Hilfen für Kulturbetriebe auf den Weg gebracht, doch damit werden im wesentlichen festangestellte Kulturmanager unterstützt: „Es unterstützt Administratoren, es unterstützt Marketing-Leute, es unterstützt Fundraiser, aber keine Theaterkünstler. Es ist verrückt.“, sagt Oskar Eustis, Künstlerischer Leiter des New York Public Theater. Freischaffende Künstler profitieren davon nicht.

Ann Prentice Wagner, Kuratorin der Ausstellung 1934: A New Deal For Artists (Smithsonian American Art Museum, 2009), weist darauf hin, dass das Bezahlen von Menschen, um Geschichten zu finden und zu erzählen, die gemeinsame amerikanische Werte fördern, bei einer anderen Krankheit helfen könnte, an der die USA gerade leidet. "Woher wissen wir, was wir diesmal haben?", fragt sich Wagner. "Woher wissen wir, woran kreative Köpfe gerade arbeiten könnten, wenn wir ihnen keine Chance geben?"

Während die Wiederauflage eines New Deal für die Kultur in den USA auch unter der neuen Administration unwahrscheinlich bleibt, ist der Gedanke für Deutschland interessant und umsetzbar. Anstelle von Staatshilfen an Kulturschaffende könnte es auch Staatsaufträge geben.

Was für eine Vielfalt von Kunstwerken jetzt geschaffen und digital, später live vermittelt werden könnte! Und gemeinsame Werte zu bestärken, wäre auch im angehenden deutschen Wahljahr von großer Bedeutung.