Montag, 24. Oktober 2016

Volunteer Engagement

In meinem letzten Beitrag zum Thema Ehrenamt habe ich, auch basierend auf meinen eigenen Beobachtungen als Direktorin eines Museums in den USA, die Motivation von Menschen erläutert, die ein Ehrenamt aufnehmen. Haben diese Menschen den Kulturinstitutionen dann freundlicherweise ihre Zeit, Tatkraft und Wissen angeboten, stellt sich vielen Kulturmanagern die Frage: "Und was jetzt?". US-Marketing-Papst Seth Godin hat drei weiterführende Faktoren für die Einbindung von Ehrenamtlichen, das sog. Volunteer Engagement, formuliert:

Agenda
Wichtig beim Einsatz von Ehrenamtlichen ist, mit einer Agenda zu arbeiten, klare Vorstellungen und Ziele zum Einsatz der Ehrenamtlichen zu haben. Nichts drosselt die Motivation mehr, als wenn die Ehrenamtlichen erst einmal herausfinden müssen, was los ist und wie es weiter gehen soll.

Peer Support: "People like us do things like this.”
Es ist oft nicht einfach, Zeit und Energie für das Ehrenamt zu finden, aber es ist noch schwerer, wenn man sich wie ein Aussenseiter fühlt. Die Unterstützung und Anerkennung von Gleichgesinnten ist enorm wichtig, die Kontakte der Ehrenamtlichen untereinander können auch ausserhalb des eigentlichen Ehrenamtes z.B. durch Volunteer Appreciation Events gefördert werden.

Hierarchie des Erfolgs
Diese wird benötigt um das Erfolgsgefühl zu verstärken und zu fördern. Mit der  Anerkennung der Leistung der Ehrenamtlichen und dem Willen, die Ehrenamtlichen mit Autorität auszustatten, wird die Hierachie zu einem sich selbst antreibenden Wirkungs-Kreislauf.

Das Ehrenamt ist ein wichtiger Bestandteil einer gesunden Zivilgesellschaft, aber es braucht Organisationen, die Strukturen schaffen, um es aufrecht zu halten. Wie Volunteer Management im Detail aussehen kann, habe ich in einer Fallstudie am Beispiel des Cincinnati Symphony Orchestras beschrieben: http://de.slideshare.net/sostendorf

Sonntag, 16. Oktober 2016

Die Frage nach der Relevanz von Kulturinstitutionen

Die Frage nach der Relevanz von Kulturinstitutionen wird in den USA seit ein paar Jahren vermehrt und öffentlich gestellt. Dies geschieht vor dem Hintergrund eines zunehmend angezweifelten Non-Profit-Status, also der steuerlichen Bevorzugung der Kultureinrichtungen, befeuert vom konkurrierenden Fundraising der Institutionen. Nicht das Luxusproblem "Von Allem zuviel und überall das Gleiche" wird hier angeprangert, sondern die essentielle Frage, warum Kultur überhaupt (bevorzugt) gefördert werden soll. Die grosse rechtliche Freiheit und staatliche Förderung, wie wir sie in Deutschland geniessen, ist in den USA unbekannt. Die Institutionen sollen dort beweisen, warum sie wichtig sind und welchen Beitrag sie für das Wohlergehen der Stadt und des einzelnen Bürgers leisten. Und die amerikanischen Kulturinstitutionen reagieren: Sie zählen Besucher, entwerfen pädagogische Programme für alle erdenklichen Mehr- und Minderheiten, pflegen Kooperationen und immer wieder versuchen sie auf verschiedenste Weise, ihre Wirtschaftlichkeit zu demonstrieren. Mangels anderer anerkannter Metriken laufen Kulturinstitutionen jedoch Gefahr, sich zu sehr auf den wirtschaftlichen Einfluss zu beschränken. Was wäre aber, wenn sich Förderer (sowohl Privatpersonen als auch Stiftungen und öffentliche Einrichtungen) einigen könnten, nicht-finanzielle Metriken wie Nachhaltigkeit, Gesundheit, Wohlbefinden und Glück als Leistung zu messen? Der wahre Einfluss der Kulturinstitutionen würde sich deutlich besser abbilden lassen. Diesen Faktoren wird in der westlichen Welt (Bhutan führt seit den 70er Jahren den National Happiness Index) seit einigen Jahren mehr Beachtung geschenkt. Seit 2010 ist Glück ein wesentliches Thema in Frankreichs jährlichem National Portrait Social. Im selben Jahr wurde der General Wellbeing Index für Grossbritannien beschlossen. Von staatlicher Seite gibt es in den USA noch keine Bemühungen, diese Faktoren zu priorisieren. Einige private Stiftungen fördern aber diese Themen, wie z.B. die Robert Wood Johnson Foundation, die Forschung zu den Themen Gesundheit und Wohlbefinden finanziert oder die Walt Disney Company, die zu ihren Förderzwecken zählt, „Glück, Hoffnung und Lachen zu bedürftigen Kindern und Familien auf der ganzen Welt“ zu bringen. Es mag paradox klingen, aber vielleicht sollte der nächste Kultur-Förderantrag an die Walt Disney Company gestellt werden.