Autorin SOR, Erschienen im Newsletter "Kultur - Management - Politik", Raabe Verlag, Januar 2011
“Der Saal ist nicht voll? Warum gebt Ihr nicht Freikarten raus, um die Lücken zu füllen?” Wie oft haben Sie diese Frage schon gehört? Nicht nur von Kunden sondern auch aus dem Kollegenkreis?
Oder: “Die jungen Leute kommen nicht? Die haben vielleicht kein Geld. Gebt denen doch Freikarten, dann kommen die schon.“
Irrtum! Wer eine Freikarte bekommt, assoziiert nachgewiesenermassen (z.B. Classical Music Consumer Segmentation Study, Knight Foundation) keinen Wert mit dem Angebot. Und das ist für Kulturinstitutionen aus mehreren Grunden gefährlich:
1. Als Kulturmanager versuchen wir täglich zu vermitteln, dass Kultur auch ein Geschäft ist. Freikarten entwerten das Produkt und senden eine gegenteilige Nachricht.
2. Viele Freikarten bleiben ungenutzt. Die Kunden erscheinen nicht, weil sie nicht in das Produkt investiert haben. Die “no show” Rate für Freikarten liegt bei 30%.
3. Nichts klingt mehr nach Verzweiflung, als die unkontrollierte Vergabe von Freikarten und grosse Rabatte für ein grosses Publikum.
4. Und nicht zuletzt, wer am wenigsten zahlt, hat die grössten Ansprüche. Dazu gehören erfahrungsgemäss die Freikartenhalter, welche oftmals viel Aufmerksamkeit des Vertriebsbüros und der Front of House Mitarbeiter verlangen.
Natürlich gibt es gute Gründe für die limitierte und strategische Distribution von Freikarten:
1. Vielerorts sind Freikarten Teil des Kompensationspaketes für Angestellte und Künstler. Da diese an der Enstehung des Produkts teilhaben, geht man davon aus, dass sie besonders investiert sind und darüber hinaus als Multiplikator neue Kunden an das Produkt heran führen.
2. Pressefreikarten für Journalisten, falls diese einen Artikel zugesagt haben. Ansonsten ist es angemessen, Ihnen ein Kaufticket anzubieten.
3. Karten für Spender und Sponsoren als Teil der Spenden- oder Sponsoren-Vereinbarung. Die Vergabe muss unbedingt überwacht und verfolgt werden auch aus Steuergründen. Vermeiden Sie es, jahrelang Freikarten an potentielle Spender und Sponsoren zu vergeben. Es ist besser, Freikarten an diese Personengruppen erst dann zu vergeben, wenn das Geschäft auf Gegenseitigkeit abgeschlossen ist. Diese Partner kommen oftmals aus der freien Wirtschaft und haben grosses Interesse am finanziellen Wohlbefinden Ihrer Institution. Die freizügige Vergabe von Freikarten (aus den o.g. Gründen) wird oftmals kritisch gesehen.
4. Viele Künstler reisen mit einer grossen Entourage an (Familie, Agenten, Manager, PR-Manager, Assistenten, Babysitter). Vereinbaren Sie vorher vertraglich das Kontingent von Freikarten.
Erstellen Sie ein Budget für Freikarten und vereinbaren Sie Ziele und Zielgruppen. Wie können Sie Besucher, die einmal mit einer Freikarte gekommen sind, zu einem weiteren, diesmal bezahlten Besuch, anregen? Und stellen Sie sicher, dass die Regeln für die Vergabe von Freikarten einfach zu verstehen sind und für jeden Mitarbeiter gleichermassen gelten.
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