Jahrzehntelang galt im Kulturbetrieb für das Audience Development auf keinen Fall, die heilige Kuh, das traditionelle Kulturprodukt auf der Bühne oder im Ausstellungsraum zu schlachten. Mit Marketingmaßnahmen allein, sollte das Besuchserlebnis so umgestaltet werden, dass sich an Kunst und Ritual nichts ändern musste. Dem New York City Ballett (NYCB) ist jetzt gelungen, aus einem Dreiklang von Marketingmix, Führungskultur und Programmänderung wirklichen Wandel herbeizuführen.
Die Zahlen sprechen für sich: Das Durchschnittsalter der Besucher:innen ist in den letzten fünf Jahren deutlich gesunken. Die primäre Bevölkerungsgruppe hat sich von Personen in den Sechzigern zu Personen in den Dreißigern verschoben.
Im Jahr 2023 waren 53 % der Ticketkäufer unter 50 Jahre alt, wobei die Altersgruppe der 30-Jährigen die größte Altersgruppe darstellte. Dies stellt eine deutliche Veränderung gegenüber 2018 dar, als nur 41 % der Ticketkäufer unter 50 Jahre alt waren und die Mehrheit in den Sechzigern.
Zu den Erfolgsfaktoren gehören in diesem Fall auch die Anpassung des traditionellen Marketingmix: In der Kommunikationspolitik etwa ein verstärktes Engagement über soziale Medien – sowohl über den offiziellen Account des Balletts als auch über einzelne Tänzer:innen (für Authentizität). Neu in der Preisstrategie ist das „30 für 30“-Programm, das Personen unter 30 Jahren Eintrittskarten im Wert von 30 US-Dollar anbietet. Es wuchs von 1.800 Mitgliedern vor der Pandemie auf heute 14.000 Mitglieder.
Der Übergang von einem einzelnen künstlerischen Leiter zu einem Duo war ein wesentlicher Faktor für die Anziehung eines jüngeren Publikums. Vor fünf Jahren ernannte das NYCB Jonathan Stafford und Wendy Whelan zur gemeinsamen künstlerischen Leitung und leitete damit einen bemerkenswerten Wandel in der Unternehmenskultur ein. Insider beschreiben eine integrativere und unterstützendere Atmosphäre und eine Abkehr von der Ära, in der eine maßgebliche Persönlichkeit dominierte. Stafford und Whelan haben jährliche Besprechungen mit jeder Tänzer:in eingeführt und mehr Wert auf das allgemeine Wohlbefinden gelegt, einschließlich Verletzungsprävention, gesunder Ernährung und Bewusstsein für psychische Gesundheit. Diese Führungskultur scheint extern auszustrahlen.
In New York wurde aber bei Kommunikation und Leadership nicht halt gemacht. Auch die heilige Kuh, das Programm, wurde angefasst. NYCB hat sein Repertoire diversifiziert, indem es Kooperationen zwischen jungen Choreograf:innen und Künstler:innen aus verschiedenen Bereichen in Auftrag gegeben hat, wodurch die kulturelle Relevanz und die kulturelle Relevanz und Attraktivität seiner Aufführungen gesteigert wurde. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit hochkarätigen Künstler:innen wie der Musikerin Solange, die 2022 eine Ballettmusik für die 23-jährige Choreografin Gianna Reisen komponierte.
Sichtbar wird der Wandel mit der Steigerung der ethnischen Vielfalt innerhalb des Balletts gemacht. Kürzlich waren India Bradley und die Gastkünstlerin Alexandra Hutchinson vom Dance Theatre of Harlem die ersten schwarzen Tänzerinnen, die die Rolle des Tautropfens in „Der Nussknacker“ spielten. Das NYCB beabsichtigt, in Zukunft eine Schwarze Zuckerfee zu besetzen. Derzeit identifizieren sich 26 % der NYCB-Tänzer:innen als People of Color (PoC), ein deutlicher Anstieg gegenüber 13 % vor einem Jahrzehnt. In den letzten sechs Jahren haben Stafford und Whelan zwölf Ballette bei PoC Choreografen in Auftrag gegeben.
Nicht allein mit Marketingmaßnahmen, die wie in anderen Fällen ein traditionelles Produkt unangetastet ließen, wurde hier ein Wandel herbeigeführt. Änderungen in der Führungskultur und ein Programm, das Vielfalt sichtbar macht, haben hier in der Innen- und Außenwahrnehmung des Balletts zum gewollten Wandel in der Publikumsstruktur geführt.