Unsere Denkweise über Wohltätigkeit ist grundverkehrt
Im Herbst ist in den US-amerikanischen
Kinos der Film "Uncharitable" von Dan Pallotta angelaufen, der auf seinem gleichnamigen Buch von 2008 "Uncharitable: How
Restraints On Nonprofits Undermine Their Potential" und seinem TEDTalk von
2013 "Unsere
Denkweise über Wohltätigkeit ist grundverkehrt" basiert. Im Kern kritisiert Pallutta, dass die
Standards, die für Nonprofits gelten, kontraproduktiv sind.
In "Uncharitable" geht Pallotta auf die
Herausforderungen und Einschränkungen ein, mit denen gemeinnützige
Organisationen aufgrund gesellschaftlicher Wahrnehmungen und Einschränkungen
ihrer Geschäftstätigkeit konfrontiert sind. Er argumentiert, dass die Art und
Weise, wie die Gesellschaft gemeinnützige Organisationen betrachtet und
reguliert, deren Fähigkeit beeinträchtigt, eine signifikante und dauerhafte
Wirkung zu erzielen. Pallotta plädiert für einen rationaleren und
unterstützenderen Ansatz gegenüber gemeinnützigen Organisationen und betont die
Notwendigkeit, in deren Wachstum, Innovation und langfristige Ziele zu
investieren.
Pallotta untersucht
verschiedene Aspekte dieses Problems, darunter die unrealistischen Erwartungen
an gemeinnützige Organisationen, die Besessenheit von niedrigen Gemeinkosten („Overhead
Myth“), die Risikoscheu des Sektors und die Bedeutung einer genauen
Wirkungsmessung. "Uncharitable" fordert einen Wandel im Denken und in der Politik,
damit gemeinnützige Organisationen gedeihen und ehrgeizige Ziele effektiv
verfolgen können.
Don´t ask about the scale of their
overhead, ask about the scale of their dreams
Konkret fordert Pallotta,
gemeinnützige Organisationen nicht anhand Ihrer geringen Overhead-Kosten zu
bewerten, sondern an der Erreichung Ihrer Ziele. Die Gegenüberstellung von
Aufwand und Nutzen, Einnahmen und Ausgaben zugunsten des gemeinnützigen Zwecks
hat sich bis in jeden Jahresbericht deutscher Kulturinstitutionen durchgesetzt.
Pallotta plädiert dafür, den tatsächlichen Erfolg einer Organisation an der
Umsetzung ihrer Ziele zu messen. Während es für Unternehmen akzeptabel ist,
Gewinne zu erzielen und in Wachstum zu investieren, wird von gemeinnützigen
Organisationen erwartet, dass sie die Gemeinkosten minimieren, was zu
begrenzten Ressourcen für ihre Missionen führt.
The nonprofit sector is the place where
you can experiment and make creative things
Gemeinnützige
Organisationen als Orte mit Visionen, Orte des Experimentierens und der
Kreativität. Für Pallotta bedeutet das, mutig zu investieren – in die Menschen
zu investieren. Dies bedeutet für ihn vor allem eine größere
Wettbewerbsfähigkeit von gemeinnützigen Organisationen. Denn diese sollten
soziale Unternehmen sein, mit der Betonung auf Unternehmen.
Aus deutscher Perspektive
lesen sich Pallottas Forderungen wie das Manifest eines Super-Kapitalisten, der
für gemeinnützige Organisationen denselben wirtschaftlichen Spielraum von Unternehmen
unter Beibehaltung der Steuerprivilegien einfordert. Trotzdem spricht er
wesentliche Punkte an, über die es sich nachzudenken lohnt. Wer schon einmal
einen öffentlichen Förderantrag verwaltet hat, weiß, wie mit Zahlen geschoben
wird, nur um Fixkosten irgendwo unterzubringen und irgendwie ins Raster zu
passen. Keine Kulturinstitution wagt, die wahren Kosten aufzudecken. Und viele
Menschen, die wir gerne als Führungskräfte einstellen würden, sitzen ehrenamtlich
im Vorstand, Aufsichtsrat oder Kuratorium. Der Wirtschaft gleichwertige
Gehälter kann der 3. Sektor nicht zahlen. Niedrige Gemeinkosten hindern
gemeinnützige Organisationen daran, in Bereiche wie Werbung, Infrastruktur und
Talentakquise zu investieren, die für den langfristigen Erfolg und die Wirkung
von entscheidender Bedeutung sind. Laut Pallotta sind wir nicht
wettbewerbsfähig genug, um Wandel herbeizuführen.
We don´t let the third sector
indoctrinate people in compassion
Gemeinnützige
Organisation konnten aufgrund der Beschränkungen nie die Kraft entwickeln, die
es laut Pallotta braucht, um die Welt nicht nur zu verbessern, sondern
grundlegend zu verändern. Die Menschen sind vom Konsum hypnotisiert. Was
Pallotta propagiert ist, dass der gemeinnützige Sektor gleichermaßen in den
Menschen Mitgefühl indoktriniert.
Dan Pallotta polarisiert
mit seinem radikalen Ansatz auch in den USA. Uns stellt sich die Frage: Was
bräuchte es in Deutschland, um den gemeinnützigen Sektor nachhaltig zu stärken um
langfristig mehr Gutes und Innovation zu schaffen?
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