Freitag, 26. Januar 2024

Uncharitable – Was ist Erfolg in der Gemeinnützigkeit?

Unsere Denkweise über Wohltätigkeit ist grundverkehrt

Im Herbst ist in den US-amerikanischen Kinos der Film "Uncharitable" von Dan Pallotta angelaufen, der auf seinem gleichnamigen Buch von 2008 "Uncharitable: How Restraints On Nonprofits Undermine Their Potential" und seinem TEDTalk von 2013 "Unsere Denkweise über Wohltätigkeit ist grundverkehrt" basiert. Im Kern kritisiert Pallutta, dass die Standards, die für Nonprofits gelten, kontraproduktiv sind.

In "Uncharitable" geht Pallotta auf die Herausforderungen und Einschränkungen ein, mit denen gemeinnützige Organisationen aufgrund gesellschaftlicher Wahrnehmungen und Einschränkungen ihrer Geschäftstätigkeit konfrontiert sind. Er argumentiert, dass die Art und Weise, wie die Gesellschaft gemeinnützige Organisationen betrachtet und reguliert, deren Fähigkeit beeinträchtigt, eine signifikante und dauerhafte Wirkung zu erzielen. Pallotta plädiert für einen rationaleren und unterstützenderen Ansatz gegenüber gemeinnützigen Organisationen und betont die Notwendigkeit, in deren Wachstum, Innovation und langfristige Ziele zu investieren.

Pallotta untersucht verschiedene Aspekte dieses Problems, darunter die unrealistischen Erwartungen an gemeinnützige Organisationen, die Besessenheit von niedrigen Gemeinkosten („Overhead Myth“), die Risikoscheu des Sektors und die Bedeutung einer genauen Wirkungsmessung. "Uncharitable" fordert einen Wandel im Denken und in der Politik, damit gemeinnützige Organisationen gedeihen und ehrgeizige Ziele effektiv verfolgen können.

Don´t ask about the scale of their overhead, ask about the scale of their dreams

Konkret fordert Pallotta, gemeinnützige Organisationen nicht anhand Ihrer geringen Overhead-Kosten zu bewerten, sondern an der Erreichung Ihrer Ziele. Die Gegenüberstellung von Aufwand und Nutzen, Einnahmen und Ausgaben zugunsten des gemeinnützigen Zwecks hat sich bis in jeden Jahresbericht deutscher Kulturinstitutionen durchgesetzt. Pallotta plädiert dafür, den tatsächlichen Erfolg einer Organisation an der Umsetzung ihrer Ziele zu messen. Während es für Unternehmen akzeptabel ist, Gewinne zu erzielen und in Wachstum zu investieren, wird von gemeinnützigen Organisationen erwartet, dass sie die Gemeinkosten minimieren, was zu begrenzten Ressourcen für ihre Missionen führt.

The nonprofit sector is the place where you can experiment and make creative things

Gemeinnützige Organisationen als Orte mit Visionen, Orte des Experimentierens und der Kreativität. Für Pallotta bedeutet das, mutig zu investieren – in die Menschen zu investieren. Dies bedeutet für ihn vor allem eine größere Wettbewerbsfähigkeit von gemeinnützigen Organisationen. Denn diese sollten soziale Unternehmen sein, mit der Betonung auf Unternehmen.

Aus deutscher Perspektive lesen sich Pallottas Forderungen wie das Manifest eines Super-Kapitalisten, der für gemeinnützige Organisationen denselben wirtschaftlichen Spielraum von Unternehmen unter Beibehaltung der Steuerprivilegien einfordert. Trotzdem spricht er wesentliche Punkte an, über die es sich nachzudenken lohnt. Wer schon einmal einen öffentlichen Förderantrag verwaltet hat, weiß, wie mit Zahlen geschoben wird, nur um Fixkosten irgendwo unterzubringen und irgendwie ins Raster zu passen. Keine Kulturinstitution wagt, die wahren Kosten aufzudecken. Und viele Menschen, die wir gerne als Führungskräfte einstellen würden, sitzen ehrenamtlich im Vorstand, Aufsichtsrat oder Kuratorium. Der Wirtschaft gleichwertige Gehälter kann der 3. Sektor nicht zahlen. Niedrige Gemeinkosten hindern gemeinnützige Organisationen daran, in Bereiche wie Werbung, Infrastruktur und Talentakquise zu investieren, die für den langfristigen Erfolg und die Wirkung von entscheidender Bedeutung sind. Laut Pallotta sind wir nicht wettbewerbsfähig genug, um Wandel herbeizuführen.

We don´t let the third sector indoctrinate people in compassion

Gemeinnützige Organisation konnten aufgrund der Beschränkungen nie die Kraft entwickeln, die es laut Pallotta braucht, um die Welt nicht nur zu verbessern, sondern grundlegend zu verändern. Die Menschen sind vom Konsum hypnotisiert. Was Pallotta propagiert ist, dass der gemeinnützige Sektor gleichermaßen in den Menschen Mitgefühl indoktriniert.

Dan Pallotta polarisiert mit seinem radikalen Ansatz auch in den USA. Uns stellt sich die Frage: Was bräuchte es in Deutschland, um den gemeinnützigen Sektor nachhaltig zu stärken um langfristig mehr Gutes und Innovation zu schaffen?

Montag, 22. Januar 2024

Vier Maßnahmen für Kulturbetriebe in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit

Die Pandemie ist schon länger offiziell für beendet erklärt und trotzdem befinden sich viele Kulturinstitutionen in den USA und auch in Deutschland weiterhin im Krisenmodus: Die Corona-Hilfsleistungen sind ausgelaufen und es gilt, sich vielerorts unter veränderten Bedingungen - von Ressourcenknappheit bis hin zu verändertem Besucher:innenverhalten – wirtschaftlich sicher zu positionieren. Folgende Strategien können Kulturbetriebe verfolgen, um wirtschaftliche Unsicherheit zu bewältigen und gleichzeitig im Dienst ihrer Communities ihre Mission voranzutreiben:

Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken: Kulturbetriebe sollten ihre organisatorischen Risiken und Chancen analysieren und dabei sowohl vorübergehende Herausforderungen, die mit kurzfristigen Stabilitätsmaßnahmen bewältigt werden können, als auch grundlegende Herausforderungen berücksichtigen, die möglicherweise neue Geschäftsmodelle oder Formen der Unterstützung erfordern. Eine Leitfrage dabei könnte sein, wie Kulturbetriebe in Zukunft in Bezug auf Ressourcen und Performance flexibel aufgestellt sein können, um auf andere, schwer vorhersehbare Ereignisse zu reagieren.

Offenheit bzgl. der aktuellen finanziellen Situation: Gemeinnützige Kulturbetriebe und -projekte sollten geldgebende Institutionen und Spender:innen über die Auswirkungen der Wirtschaft auf ihre Leistungserbringung auf dem Laufenden halten. Das galt während der Pandemie und gilt auch weiterhin. Frühzeitige Kommunikation und Aktualisierungen über die Unterstützung der gemeinnützigen Organisation für die Community, ihre Rolle als Arbeitgeber und weitere spezifische Bedürfnisse können den Geldgebenden dabei helfen, Empfänger:innen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten präziser zu unterstützen. 

Koordination und Kollaboration: Die Zusammenarbeit mit anderen gemeinnützigen Organisationen kann für mehr Publikum und größere Relevanz sorgen und entwickelt sich zunehmend für viele Fördernde, insbesondere die öffentliche Hand und Stiftungen, zum Förderkriterium.

Größer ist nicht immer besser: Jetzt ist die Zeit um in Stabilitätsmaßnahmen, Personalbindung und finanzielle Reserven zu investieren, anstatt sich in unsicheren Zeiten auf Wachstum zu konzentrieren.

Auch wenn wirtschaftliche Sicherheit und Planbarkeit in der VUCA-Welt bedingt möglich sind, helfen diese Maßnahmen Kulturbetrieben in Bezug auf interne und externe Kommunikation und Kollaboration besser aufgestellt zu sein und langfristige Perspektiven zu schaffen.