Arbeitnehmer:innen aus der freien Wirtschaft fallen oft aus allen Wolken, wenn sie sich im Vorstand einer gemeinnützigen Organisation wiederfinden. Unternehmensziele und -logik von gemeinnützigen oder öffentlichen Kulturinstitutionen unterscheiden sich deutlich von marktwirtschaftlichen Zielen und die Kriterien Einfluss und Fachwissen, nach denen Vorstandsmitglieder in der Regel ausgewählt werden, schließen die Verständnislücke für das Nonprofit-Management nicht. Im Idealfall gibt es ein Onboarding auch für Vorstandsmitglieder, das vielleicht die Pflichten des Vorstands umreißt, aber nicht unbedingt in die Unterschiede der Unternehmenssteuerung bzw. Zielsetzung einführt.
Dieser Mangel an gut ausgebildeten und engagierten Vorstandsmitgliedern stellt insbesondere in den USA eine große Herausforderung für die 1,9 Millionen Nonprofit-Organisationen dar. Programme wie das Golub Capital Board Fellows-Programm, das von dem amerikanischen Geschäftsmann David Golub mit $25 Millionen unterstützt wird und z. Zt. an sieben führenden Business Schools stattfindet, zielen darauf ab, MBA-Studierende gezielt auf Führungsaufgaben in Nonprofit-Vorständen vorzubereiten. Durch praxisnahe Kurse, Boardroom-Erfahrungen und individuelle Betreuung lernen die Studierenden strategische Führung, finanzielle Aufsicht und effektive Zusammenarbeit mit CEOs. Studien zeigen, dass Absolvent:innen solcher Programme schneller in Vorstandsrollen eintreten und häufiger Führungspositionen übernehmen.
Über den Nachwuchsmangel in der Vorstandsarbeit von deutschen Stiftungen wurde kürzlich beim Berenberg Stiftungs-Talk gesprochen. Teil der Herausforderung ist auch der zeitliche Aufwand, den die Generationen mit einem großen Bewusstsein für Work-Life-Balance nicht immer bereit zu geben sind. Hier gilt es sicherlich, Führungsaufgaben auf vielen Schultern zu verteilen und auch fachübergreifend auf eine Vorstandsaufgabe vorzubereiten. Neben Finanz- und Steuerexpert:innen, Rechtsanwält:innen und Kulturinsidern gehören heute idealerweise auch ITler, Marketing- und Fundraisingexpert:innen, Fachleute für Organisationentwicklung und Vertreter:innen verschiedener Communities darunter DEI-Advokat:innen zum Vorstand. Auch dort muss für die Vorstandsrolle geworben und ausgebildet werden. Wenn Vorstandsarbeit auch berufliche Weiterentwicklung bedeutet, kann sie eine ganz andere Attraktivität bekommen.
Vorstandsarbeit in gemeinnützigen Organisationen steht vor vielfältigen Herausforderungen – von der Gewinnung qualifizierter Mitglieder bis hin zur Vermittlung der spezifischen Anforderungen des Nonprofit-Managements. Doch in diesen Herausforderungen liegt auch eine Chance: Wenn es gelingt, Vorstandsarbeit als wertvolle Möglichkeit zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung zu positionieren und durch gezielte Schulungsprogramme wie das Golub Capital Board Fellows-Programm oder ähnliche Ansätze eine neue Generation von Führungspersönlichkeiten zu gewinnen, kann dies langfristig die Zukunft des Nonprofit-Sektors sichern. Entscheidend ist, dass Vorstände diverser, fachlich breit aufgestellt und nachhaltig motiviert sind, um die gesellschaftliche Wirkung gemeinnütziger Organisationen weiter zu stärken. Eine solche Neuinterpretation von Vorstandsarbeit könnte nicht nur aktuelle Lücken schließen, sondern auch die Attraktivität dieses wichtigen Ehrenamts nachhaltig steigern.
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