Sonntag, 15. Juni 2025

Politische Einflussnahme auf Kulturbetriebe

Die jüngsten kulturpolitischen Entwicklungen in den USA, insbesondere das unter der Regierung Donald Trumps erlassene Dekret zur ideologischen Neuausrichtung von Institutionen wie der Smithsonian Institution, verdeutlichen die politische Verwundbarkeit öffentlich finanzierter Kulturbetriebe. Der Versuch, museale Narrative, die auf eine kritische Auseinandersetzung mit Rassismus, Kolonialismus und gesellschaftlicher Diversität abzielen, staatlich zu kontrollieren, ist Ausdruck einer kulturpolitischen Radikalisierung, die auch außerhalb der USA beobachtbar ist. Für das deutsche Kulturmanagement ergeben sich daraus Implikationen, sowohl hinsichtlich der institutionellen Resilienz gegenüber politischer Einflussnahme als auch im Hinblick auf die programmatische und ethische Ausrichtung von Kultureinrichtungen in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft.

Die Smithsonian Institution fungiert hier als exemplarischer Fall: Obwohl sie formal keine Regierungsbehörde darstellt, finanziert sich die Institution mit 62% aus öffentlichen Mitteln. Diese strukturelle Abhängigkeit wurde von der Exekutive genutzt, um ideologisch motivierte Eingriffe in kuratorische Entscheidungen zu rechtfertigen. Narrative, die sich mit Gewalt, Diskriminierung oder historischen Ungleichheiten befassen, wurden pauschal als „anti-amerikanisch“ delegitimiert. Derartige Maßnahmen betreffen jedoch nicht allein die museale Repräsentation der Geschichte, sondern zielen auf die epistemologische Grundlage kulturvermittelnder Arbeit als solcher. Sie versuchen, institutionelle Erinnerungspraktiken zu normieren, kritische Perspektiven zu delegitimieren und kulturelle Deutungshoheit staatlich zu regulieren.

Diese Entwicklungen sind nicht als ausschließlich US-amerikanisches Phänomen zu interpretieren, sondern im Kontext eines globalen kulturpolitischen Rollbacks zu verorten, das auch in europäischen Demokratien Resonanz findet. In Deutschland, wo öffentliche Kulturfinanzierung traditionell als Instrument demokratischer Daseinsvorsorge verstanden wird, bestehen ebenfalls Anfälligkeiten für politische Einflussnahmen. Die kommunale Trägerschaft vieler Kulturinstitutionen, gekoppelt mit föderalen Abhängigkeiten und lokalpolitischen Machtkonstellationen, kann in ideologisch aufgeladenen Diskursen zu programmatischen Einschränkungen führen – sei es durch direkte Eingriffe, Mittelentzug oder informellen Druck auf Intendanzen und Leitungspersonal. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die Grenze zwischen expliziter Zensur und subtiler Selbstzensur zunehmend verschwimmt: Aus Sorge vor politischen Kontroversen oder medialer Diffamierung verzichten nicht wenige Einrichtungen auf konfliktträchtige Inhalte oder risikobehaftete künstlerische Positionen.

Zugleich werden inhaltliche Strategien, die auf Diversität, Inklusion und Repräsentationsgerechtigkeit abzielen, verstärkt zur Projektionsfläche ideologischer Kulturkämpfe. In den USA manifestiert sich dies etwa in der gezielten Demontage von DEI-Programmen (Diversity, Equity, Inclusion), der Schließung von Diversitätsbüros oder der eliminierenden Umformulierung musealer Textangebote. Auch in Deutschland ist eine zunehmende Politisierung sogenannter „Identitätspolitiken“ zu beobachten. Antifeministische und antiplurale Narrative finden nicht nur in sozialen Medien, sondern auch in parlamentarischen Debatten und kulturpolitischen Diskursen Anklang. Die Infragestellung von Gender-Initiativen, Antirassismusarbeit oder postkolonialen Ausstellungskonzepten steht dabei häufig im Zusammenhang mit einem verkürzten Kulturbegriff, der ästhetische Autonomie gegen gesellschaftspolitisches Engagement auszuspielen versucht.

In dieser Gemengelage kommt Kulturmanager:innen eine zentrale, nicht zuletzt ethisch fundierte Verantwortung zu. Sie agieren an der Schnittstelle zwischen Verwaltung, Politik, Kunst und Öffentlichkeit – und sind daher maßgeblich an der Aushandlung dessen beteiligt, was als kulturell legitim, erinnerungspolitisch relevant und gesellschaftlich notwendig gilt. Die Entwicklungen in den USA zeigen, dass Kulturinstitutionen keine neutralen Räume sind, sondern Orte symbolischer Macht und diskursiver Formung. Ein deutsches Kulturmanagement, das sich auf diese Konstellation nicht vorbereitet, riskiert nicht nur programmatische Einbußen, sondern eine langfristige Schwächung seines demokratischen Auftrags.

Stattdessen bedarf es eines bewussten Umgangs mit der eigenen institutionellen Rolle: Die Sicherung inhaltlicher Autonomie, die Verankerung pluralistischer Werte, der Ausbau partizipativer Strukturen und die strategische Kommunikation kulturpolitischer Zielsetzungen sind keine rein technischen Aufgaben, sondern Bestandteile eines reflektierten, gesellschaftlich verantwortungsvollen Kulturmanagements. Dazu gehört auch, kulturpolitische Solidarität zu praktizieren – etwa wenn einzelne Häuser oder Kunstschaffende unter politischen Druck geraten. Vor allem aber bedarf es einer Selbstvergewisserung: Kulturarbeit in einer demokratischen Gesellschaft ist stets konflikthaft, vielstimmig und in historische Verantwortung eingebunden. Diese Einsicht ist nicht nur normativer Anspruch, sondern kulturpolitische Notwendigkeit.

Samstag, 5. April 2025

Zwischen Ehrenamt und Führungsaufgabe: Wie gezielte Programme die Zukunft der Nonprofit-Vorstandsarbeit sichern können

Arbeitnehmer:innen aus der freien Wirtschaft fallen oft aus allen Wolken, wenn sie sich im Vorstand einer gemeinnützigen Organisation wiederfinden. Unternehmensziele und -logik von gemeinnützigen oder öffentlichen Kulturinstitutionen unterscheiden sich deutlich von marktwirtschaftlichen Zielen und die Kriterien Einfluss und Fachwissen, nach denen Vorstandsmitglieder in der Regel ausgewählt werden, schließen die Verständnislücke für das Nonprofit-Management nicht. Im Idealfall gibt es ein Onboarding auch für Vorstandsmitglieder, das vielleicht die Pflichten des Vorstands umreißt, aber nicht unbedingt in die Unterschiede der Unternehmenssteuerung bzw. Zielsetzung einführt.

Dieser Mangel an gut ausgebildeten und engagierten Vorstandsmitgliedern stellt insbesondere in den USA eine große Herausforderung für die 1,9 Millionen Nonprofit-Organisationen dar. Programme wie das Golub Capital Board Fellows-Programm, das von dem amerikanischen Geschäftsmann David Golub mit $25 Millionen unterstützt wird und z. Zt. an sieben führenden Business Schools stattfindet, zielen darauf ab, MBA-Studierende gezielt auf Führungsaufgaben in Nonprofit-Vorständen vorzubereiten. Durch praxisnahe Kurse, Boardroom-Erfahrungen und individuelle Betreuung lernen die Studierenden strategische Führung, finanzielle Aufsicht und effektive Zusammenarbeit mit CEOs. Studien zeigen, dass Absolvent:innen solcher Programme schneller in Vorstandsrollen eintreten und häufiger Führungspositionen übernehmen.

Über den Nachwuchsmangel in der Vorstandsarbeit von deutschen Stiftungen wurde kürzlich beim Berenberg Stiftungs-Talk gesprochen. Teil der Herausforderung ist auch der zeitliche Aufwand, den die Generationen mit einem großen Bewusstsein für Work-Life-Balance nicht immer bereit zu geben sind. Hier gilt es sicherlich, Führungsaufgaben auf vielen Schultern zu verteilen und auch fachübergreifend auf eine Vorstandsaufgabe vorzubereiten. Neben Finanz- und Steuerexpert:innen, Rechtsanwält:innen und Kulturinsidern gehören heute idealerweise auch ITler, Marketing- und Fundraisingexpert:innen, Fachleute für Organisationentwicklung und Vertreter:innen verschiedener Communities darunter DEI-Advokat:innen zum Vorstand. Auch dort muss für die Vorstandsrolle geworben und ausgebildet werden. Wenn Vorstandsarbeit auch berufliche Weiterentwicklung bedeutet, kann sie eine ganz andere Attraktivität bekommen.

Vorstandsarbeit in gemeinnützigen Organisationen steht vor vielfältigen Herausforderungen – von der Gewinnung qualifizierter Mitglieder bis hin zur Vermittlung der spezifischen Anforderungen des Nonprofit-Managements. Doch in diesen Herausforderungen liegt auch eine Chance: Wenn es gelingt, Vorstandsarbeit als wertvolle Möglichkeit zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung zu positionieren und durch gezielte Schulungsprogramme wie das Golub Capital Board Fellows-Programm oder ähnliche Ansätze eine neue Generation von Führungspersönlichkeiten zu gewinnen, kann dies langfristig die Zukunft des Nonprofit-Sektors sichern. Entscheidend ist, dass Vorstände diverser, fachlich breit aufgestellt und nachhaltig motiviert sind, um die gesellschaftliche Wirkung gemeinnütziger Organisationen weiter zu stärken. Eine solche Neuinterpretation von Vorstandsarbeit könnte nicht nur aktuelle Lücken schließen, sondern auch die Attraktivität dieses wichtigen Ehrenamts nachhaltig steigern.

Sonntag, 5. Januar 2025

Trumps Nonprofit-Politik

Verschiedene Steuerreformen während Trumps erster Präsidentschaft führten dazu, dass gemeinnützige Organisationen, zu denen die allermeisten Kulturinstitutionen in den USA gehören, sich an reduzierte Anreize für kleine Spenden, eine stärkere Abhängigkeit von vermögenden Spender:innen und Veränderungen in der Finanzierungslandschaft (die Bundesförderung verlagerte sich von Sozialdiensten, Gesundheits- und Umweltprogrammen hin zu Verteidigung, Einwanderungskontrolle und glaubensbasierten Programmen) anpassen mussten.

Für seine zweite Amtszeit werden die Ausweitung der Steuerabzüge für gemeinnützige Zwecke, die Neubewertung der Stiftungsvorschriften und die Erhöhung der Transparenz bei Donor-Advised Funds (DAFs) erwartet.

Derzeit nutzen nur 10% der Steuerzahler*innen Steuervorteile für Spenden aus, da die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden an individualisierte und nicht wie in den USA präferiert an pauschalisierte Steuerabzüge gebunden sind. Während der Pandemie war ein vorübergehender Abzug auch bei Steuererklärungen mit pauschalisierten Abzügen zulässig, und Interessengruppen aus dem Nonprofit Sektor hoffen, diese Richtlinie wiederzubeleben und auszuweiten, um eine breitere philanthropische Beteiligung zu fördern.

Ein weiterer Schwerpunkt ist ein Gesetz von 1969, das einen Mindestausschüttungssatz von 5% für Stiftungen vorschreibt und die Vermögensbildung in steuerbefreiten Körperschaften verhindern soll. Bedenken hinsichtlich „dark money“ und großen Stiftungen haben z.B. den zukünftigen Vizepräsident JD Vance dazu veranlasst, höhere Auszahlungen und eine mögliche Besteuerung gemeinnütziger Stiftungen zu fordern, insbesondere für Institutionen mit 100 Millionen US-Dollar oder mehr, die jährlich 20% auszahlen sollen. Ziel dieser Reform sind private Universitäten, die Vance als grundsätzlich zu liberal einstuft. Solche Maßnahmen werden im Jahr 2025 Priorität haben, insbesondere wenn der Kongress die Steuergesetzgebung überdenkt.

Das schnelle Wachstum von DAFs, Wohltätigkeitsfonds, die von gemeinnützigen Organisationen oder Finanzinstituten verwaltet werden, erregt ebenfalls Aufmerksamkeit. Im Gegensatz zu Stiftungen sind DAFs nicht verpflichtet, jährlich einen bestimmten Prozentsatz ihres Vermögens auszuschütten, was einige dazu veranlasst, auf vorgeschriebene Auszahlungen zu drängen, um das Horten von Wohltätigkeitsgeldern zu verhindern.

Viele Nonprofits befürworten eine Führungsrolle im Weißen Haus, die sich auf gemeinnützige Belange konzentriert. Auch wenn es angesichts der Haltung Trumps zu progressiven Anliegen unwahrscheinlich ist, könnte die Etablierung einer solchen Position die Interessenvertretung und Koordination des Sektors mit den Bundesbehörden stärken.