Freitag, 23. August 2019

Selbstverständlich Marketing

Marketing ist für viele Kulturschaffende auch heute noch ein Fremdwort, geprägt vom Eindruck des Absatz-orientierten Marketings, Verkauf um jeden Preis. Dabei ist der Kulturbetrieb, in dem die wenigsten Produkte (auch dieses Fachwort löst bei Kulturschaffenden immer wieder ein Schaudern aus) auf die Bedarfe des Marktes ausgerichtet werden, zunächst einmal ein Servicebetrieb und hier geht es in erster Linie um Beziehungsmarketing. Dabei stehen weniger die Institution oder die Kulturmarke sondern vielmehr der Kunde im Mittelpunkt des Marketings: Es geht um Kundennähe, Kundenpflege, Kundenanalyse und Serviceaktivitäten für den Kunden.

Seth Goldin beschreibt das Selbstverständnis von Marketingmanagern so (aus dem Buch This is Marketing, 2018):

„Marketer benutzen Verbraucher nicht, um die Probleme ihres Unternehmens zu lösen; sie nutzen Marketing, um die Probleme anderer Leute zu lösen. Sie haben die Empathie zu verstehen, dass jene, denen sie dienen wollen, nicht wollen, was der Marketer will, nicht an das glauben, was der Marketer glaubt und es sie nicht kümmert, was der Marketer will. Das werden Verbraucher wahrscheinlich nie tun.“

Interessanterweise ist Godins Buch nicht für Marketer im Kulturbereich geschrieben, sondern adressiert Alle, auch jene, die Seife, Politik oder Autos vermarkten. Wieviel einfacher ist es für Kulturmanager, sich mit einem Kulturprodukt zu identifizieren! Einem Produkt, von dem die Bevölkerung durchweg positiv eingenommen ist, es für wichtig (in Bezug auf Erziehung) und förderwürdig (über Steuergelder) einschätzt. Die Erkenntnis liegt darin: Wer heute Marketing machen will, muss Einfühlungsvermögen, Serviceorientierung, Spannung, Vertrauen und die richtige Positionierung beweisen. Dieser Ansatz ist weit entfernt von breit gestreuter, omnipräsenter Marketingberieselung oder dem Ausverkauf aller Dinge.

Ich glaube, dass wir Kulturmanager das Marketing der Wirtschaftswelt oftmals falsch einschätzen. Während meiner Zeit als Marketingdirektorin beim Cincinnati Symphony Orchestra hatte ich die Gelegenheit das Fachwissen der Mitarbeiter des Konsumgiganten Procter & Gamble zu nutzen, der VP Marketing des Konzerns saß in unserem Marketing-Beirat. Ich durfte am Launch eines neuen Produktes, Pringles Multigrain, teilnehmen und lernte die Arbeit der Research and Development-Abteilung kennen. Während der Launch eines vermeintlich gesünderen Chips-Produktes viele Marketing-Vorurteile bestätigte und mich trotzdem durch professionellste Marketing-Strategie und Umsetzung beeindruckte, war ich erstaunt zu lernen, dass die Fragen und Ideen, die in der R&D-Abteilung erforscht werden, im Kern wirklich den Dienst am Menschen haben. Die von P&G durchgeführten Studien des weiblichen Körpers und die Befindlichkeiten während der Menstruation sind unglaublich umfassend, um schließlich Damenhygiene Produkte wie Always Ultra zu produzieren und Frauen den Alltag zu erleichtern. Die Frage nach dem Dienst am Menschen wird im Kulturbetrieb nicht gestellt, Kultur geschieht um ihrer selbst willen und daraus ergibt sich für die Kultur die Relevanzlücke.

Godin beendet das Kapitel mit dem Satz: „Wenn du etwas verändern willst, beginne damit, Kultur zu machen. Beginnen Sie mit der Organisation einer engmaschigen Gruppe. Beginnen Sie, indem Sie die Leute synchronisieren. Kultur ist die beste Strategie - so sehr, dass Kultur Strategie ist.“ Klingt wie Musik in den Ohren von Kulturmanagern!

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