Dienstag, 28. März 2017

Kulturpolitik unter Präsident Trump

                                                 Photo credit: Americans for the Arts

„Geht Dein Orchester jetzt unter?“ Diese Frage habe ich in den letzten Wochen von deutschen Kollegen oft gehört. „Mein“ Orchester ist das Cincinnati Symphony Orchester, bei dem ich in einige Jahre in der Marketingabteilung gearbeitet habe. Und die Frage bezieht sich auf die aktuelle Situation in den USA. Präsident Trump hat, um Gelder für andere Projekte freizuschaufeln, in der aktuellen Debatte für den Bundeshaushalt 2018 die Eliminierung des National Endowments for the Arts (NEA) vorgeschlagen. Der NEA ist die amerikanische Bundesagentur für Kulturförderung. So eine Institution zu schliessen, scheint aus deutscher Perspektive unverständlich. Allerdings, die Auflösung des NEA wird wenig Einfluss auf das finanzielle Überleben des Orchesters haben. Denn das Budget des NEA, welches auf dem Bundeshaushalt finanziert wird, beträgt seit Jahren etwa 150 Millionen USD. Die Förderung der Künste oder der Wissenschaft (National Endowment of the Humanities) war auch nicht Präsident Obamas Steckenpferd. Unter Obama wurden die Diskussionen um eine Erhöhung oder Senkung des Budgets regelmässig verschoben und das Budget bei gleichbleibendem Betrag einfach ins nächste Haushaltsjahr übernommen (Referral). Die NEA fördert nach dem Giesskannenprinzip. Jede Kulturinstitution, die sich durch hunderte Seiten Förderantrag arbeiten kann und die neben Relevanz, Nachhaltigkeit, Gemeinnützigkeit und insbesondere Förderung der Benachteiligten auch aufzeigen kann, das Projekt messbar umzusetzen, kann sich um Fördergelder bewerben. Und von den tausenden Institutionen, die dies auf sich nehmen, bekommt jeder ein bisschen. Förderungen von sechsstelligen Beträgen sind selten. Die Förderung durch die NEA wirkt vielmehr wie ein Gütesiegel, die insbesondere den Kulturagenturen der einzelnen Bundesstaaten und Stiftungen zeigt, dass die Institutionen förderungswürdig sind. Dieses Gütesiegel wirkt wie eine Anschubfinanzierung, die dann weitere Fördersummen nach sich zieht. Die öffentliche Förderung des Cincinnati Symphony Orchesters machte bei einem Budget von etwa 40 Millionen USD weniger als 1% aus. Ich bin mir sicher, dass sich schnell ein anderes System von Gütesiegeln und Anschubfinanzierungen etablieren wird, das massgeblich von Stiftungen initiiert wird. Der Staat wird die Kultur noch weiterhin indirekt durch die Steuerbegünstigungen für gemeinnützige Organisationen fördern. Aber auch dieses Privileg stand schon vielfach zur Diskussion. Die Abschaffung des NEA finde ich aus anderen Gründen bedenklich. Hier wird auf politischer Ebene die Wertschätzung von Kultur und Allem für was sie steht (wie z.B. Kreativität, Freiheit, Teilhabe) herabgestuft. Aber ein Grossteil der amerikanischen Bevölkerung wünscht sich die Verschlankung des Verwaltungsapparates. Und dazu gehört eben auch der National Endowment for the Arts.

Das Thema in der Presse:
New York Times, 15.3.2017
The Guardian, 16.3.2017

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