Eine Begegnung am Rande einer Abendveranstaltung, bei der mich ein junger Activist Investor nach den Akquiesekosten für Neukunden beim Cincinnati Symphony Orchester fragte, ist mir deutlich in Erinnerung geblieben. Keine ungewöhnliche Frage an eine Marketing-Direktorin. Abwanderungsquote, Prozentsatz aktiver Kunden, Preistoleranzen – ich hätte so viel parat gehabt. Aber bei dieser Frage geriet ich ins Stottern.
Während ich
in den folgenden Tagen, Daten zusammensuchte, um diese Frage zu klären,
beschäftigte ich mich auch mit einer übergeordneten Fragestellung: Welche
Kennzahlen sind tatsächlich sinnvoll und hilfreich als interne Messlatte aber
auch als Kommunikationsinstrument mit unseren Stakeholdern?
Ein guter Startpunkt für eine Kommunikation rund um Kennzahlen ist, das Publikum in den Mittelpunkt zu rücken. Dabei helfen folgende Betrachtungen:
1. Gesamteinnahmen von Besuchern
Spenden +
Ticketverkäufe + Abonnements + Mitgliedschaften + Events = Gesamteinnahmen von
Besuchern
Hier ist der Ansatz, die gesamten Kundeneinnahmen zu
betrachten und nicht in die Bereiche Einnahmen aus Marketing oder Fundraising
zu teilen. Im Vergleich zur komplexen Berechnung des Kundenwerts ist diese
Kennzahl vergleichsweise einfach zu erheben und gibt im Einzelvergleich Auskunft
darüber, wo das Potential der Kunden:innen liegt.
Die Gesamteinnahmen von Besuchern können in einem weiteren Schritt durch die Gesamteinnahmen der Organisation geteilt werden. Wie hoch ist der Prozentsatz im Vergleich zu den anderen Einnahmen aus öffentlicher und institutioneller Förderung, Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung oder Sponsoring? Das Verhältnis der Anteile kann Aufschluss darüber geben, wo der Fokus der Einnahmen liegt und ob die Kulturinstitution in Bezug auf die Einnahmen genügend breit aufgestellt ist.
2. Aktive Kunden
Haushalte
mit Interaktion in den letzten drei Jahren / Gesamtzahl der Haushalte in der
Kundendatei =
% der
aktiven Kunden
Für diese Quote gilt: Je höher desto besser. Diese Formel kann auf einzelne Käufertypen wie Einzelkartenkäufer, Abonnenten oder Spender:innen runtergebrochen und im jährlichen Zeitverlauf betrachtet werden. Für diese Segmente können dann entsprechend Maßnahmen zur Reaktivierung oder Bindung ergriffen werden. Mit welchen Maßnahmen lassen sich die Kunden auf die jeweils nächste Stunde des Engagements überführen?
3. Abwanderungsquote von Neukund:innen
Anzahl der
Neukund:innen vor 2 Jahren, die dieses Jahr nicht kamen / Anzahl der
Neukund:innen vor 2 Jahren =
Meist setzen Kulturinstitutionen zu stark auf die Akquise neuer Zielgruppen und vernachlässigen deren kontinuierliche Bindung. Die Gewinnung von Neukunden ist jedoch deutlich kostenintensiver als die Re-Aktivierung bestehender Kund:innen. Bei amerikanischen Orchestern liegt die Abwanderungsquote von Neukunden bei 80%. Schon bei einem zweiten Besuch in derselben Saison fällt die Abwanderungsquote um 30%. Welche Angebote zur Wiederkehr am besten beim Publikum ankommen, hat die „Audience Growth Initiative“ der League of American Orchestras untersucht. Sog. „Killer Offers“ mit einem größtmöglichen Rabatt (50%) erzielten die größten Erfolge.
4. % von Abonennt:innen-Spender:innen
Anzahl der
Abonennt:innen-Spender:innen der letzten Saison / Anzahl Abonent:innen der
letzten Saison =
% der
Abonennt:innen-Spender:innen der letzten Saison
Kundenloyalität
ist eine beliebte Kennzahl, die oft durch die Verlängerung von Abonnements bzw.
Mitgliedschaften von Jahr zu Jahr gemessen wird. Noch größere Loyalität
beweisen Kunden:innen die sowohl abonnieren als auch spenden. Der Schritt
zwischen Abonnenten und Abonnenten-Spendern ist auch der Bereich, in dem
möglicherweise eine Lücke zwischen dem Marketing- und Fundraisingteams besteht.
Die Betrachtung dieser Kennzahl gibt Auskunft, ob die Abteilungen nahtlos
zusammenarbeiten oder ob Abonnenten vernachlässigt werden und Anpassungen an der
Bearbeitungsstrategie vorgenommen werden sollten.
Im Vergleich
zu den gängigen Kennzahlen im deutschen Kulturbetrieb, wie der Subventionshöhe
pro Ticket oder der Auslastungsrate, sind die o.g. Kennzahlen mit konkreten
Handlungsempfehlungen verbunden und gehören zu meinen Lieblingskennzahlen für
den kommentierten Finanzbericht.
Ich würde
mich sehr freuen, von Ihrer Lieblingskennzahl zu hören. Schreiben Sie mir auf
Twitter @sonjaostendorf!